Redebeitrag von Jörg Becker, Fraktionsvorsitzender
Jörg Becker spricht im Rat der Stadt Solingen zur neuen Bildungs- und Gedenkstätte "Max-Leven-Zentrum", die im Zusammenhang mit dem Neubau der Hauptstelle der Stadt-Sparkasse Solingen entstehen soll.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Bürger*innen,
der heutige Tag, an dem wir mit einer hoffentlich sehr breiten Mehrheit, den Beschluss über die Einrichtung einer Bildungs- und Gedenkstätte im Zusammenhang mit dem Neubau der Hauptstelle der Stadt-Sparkasse Solingen beschließen, ist ein sehr, sehr guter Tag für Solingen. Es ist ein guter Tag für eine fortlebende Gedenk- und Erinnerungskultur, die geeignet ist, auch zukünftigen Generationen, die nicht mehr die Möglichkeit haben, das direkte Gespräch mit Zeitzeugen zu führen, den Schrecken des Naziterrors, den Widerstand der Wenigen und den Opportunismus der Vielen zu vermitteln.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang den Romanisten Victor Klemperer zitieren, der die Entrechtung und Verfolgung als jüdisch-stämmiger Protestant in Dresden überlebte.
„Der Jude ist der wichtigste Mann in Hitlers Staat: er ist der volkstümlichste Türkenkopf und Sündenbock, der volkstümliche Gegenspieler, der einleuchtendste Generalnenner, die haltbarste Klammer um die verschiedenartigsten Faktoren. Wäre dem Führer wirklich die angestrebte Vernichtung aller Juden gelungen, so hätte er neue erfinden müssen, denn ohne den jüdischen Teufel – ‚wer den Juden nicht kennt, kennt den Teufel nicht‘, stand auf den Stürmertafeln –, ohne den finstern Juden hätte es nie die Lichtgestalt des nordischen Germanen gegeben. Übrigens wäre dem Führer die Erfindung neuer Juden nicht schwergefallen.“ (Zitat Ende)
Wir alle, meine sehr geehrter Damen und Herren, müssen wachsam sein!
Es ist nicht zuletzt der Zentralrat der Juden in Deutschland, der wiederholt darauf hingewiesen hat, dass es wieder eine Partei gibt, die versucht, einen neuen Teufel zu beschwören. Wir alle müssen wachsam sein und bei jeder Gelegenheit darauf hinweisen, dass es gilt, den Hass an der Wurzel zu bekämpfen. Hierzu ist die Aufklärung über die, auch von Solinger*innen an Solinger*innen, begangenen Verbrechen ein wichtiger Schritt zur Sensibilisierung insbesondere junger Menschen.
Max Leven steht als Kommunist jüdischer Herkunft exemplarisch für viele andere Solinger*innen die Opfer von Verfolgung durch die Faschist*innen wurden, aber auch für den späteren Umgang der bundesdeutschen Justiz mit faschistischen Täter*innen. Deshalb ist es gut, dass die Bildungs- und Gedenkstätte am Ort der Ermordung Max Levens entsteht und somit ein direkter Zusammenhang zu Opfern und Tätern hergestellt wird.
Neben Max Leven gilt es besonders auch der vielen Frauen zu gedenken, die sich den Nazis in den Weg gestellt haben. An aller erster Stelle steht hier Änne Wagner, die ihren sehr eigenen kommunistischen Weg ging. Ich denke aber auch an die türkische Jüdin Jenny Gusyk, die im KZ-Auschwitz umkam.
Zum Ende meiner Ausführungen möchte ich danke sagen. All denen, die das, was wir hier heute beschließen, möglich gemacht haben. Hier sind zunächst die Aktiven des „Arbeitskreises Verfolgung und Widerstand“ zu nennen, die mit ihrem Einsatz für ein würdiges Gedenken am Standort des Max-Leven-Hauses für ein breites Echo in der Stadtgesellschaft gesorgt haben. Ohne diesen Einsatz würden wir heute nicht über die Einrichtung einer Bildungs- und Gedenkstätte an diesem Standort reden.
Der nächste Dank gilt der Stadt-Sparkasse Solingen, die durch ihre Entscheidung eine Bildungs- und Gedenkstätte in die Planungen ihrer neuen Hauptstelle einzubeziehen, bewiesen hat, dass sie die Verantwortung, die sie als kommunales Geldhaus für die Entwicklung unserer Stadt hat annimmt.
Der letzte Dank an dieser Stelle gilt dem Herrn Oberbürgermeister und der Verwaltung. Mit Ihrer Unterstützung für das Projekt, die Sie nicht zuletzt durch den Eintritt in den neu gegründeten Verein „Bildungs- und Gedenkstätte Max-Leven-Zentrum“ dokumentiert haben, haben Sie einen wichtigen Beitrag für den heutigen Beschluss geleistet.
Lassen sie mich zum Schluss eine Bitte an Sie richten. Lassen sie uns alle dafür einstehen, das Solingen eine Bildungs- und Gedenkstätte erhält, die sachlich und authentisch über die Schrecken der faschistischen Diktatur aufklärt und die jede*r Besucher*in mit der tiefen Überzeugung verlässt: „NIE WIEDER“
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!